Gedanken zum Alter/n

Alter – Bedingungen, Definitionen, Altersbilder

Die Lebensbedingungen für die ältere Frauengeneration werden sich in den uns bevorstehenden radikalen Umverteilungskämpfen verschlechtern. Die Zahl der Armen und Ausgegrenzten – und das sind mehrheitlich Frauen, insbesondere ältere Frauen, aber auch Behinderte und erst recht Migrantinnen und Flüchtlinge ohne BürgerInnenrechte – nimmt unter der heutigen Wirtschaftsordnung in allen europäischen Staaten rapide zu.

„Altwerden ist ein Prozess, der bei der Geburt beginnt und ein Leben lang dauert. Den jede Person persönlich erlebt, auch wenn kulturelle und religiöse Muster diesen Prozess prägen.“(Hanna Habermann, Ute Wannig, Barbara Hein, Iren Steiner, Andrea Günter: Selbstbestimmt und solidarisch – Frauen und das Alter, Rüsselsheim 2005)

Die Definition von Harold Koogen (zitiert von Marion Wortmann in ihrem Buch: Die Lebenslage älterer lesbischer Frauen in Deutschland. Annäherung an ein verdrängtes Thema, 2005) unterteilt in vier Alter:

  • clock Age = zeitlich festgelegtes Alter
  • body Age = biologisches Alter, beruht auf objektigen Kriterien des körperlichen Zustands
  • heart Age = gefühltes Alter
  • gay age = dieses Alter bemisst sich nach der Zeit der bekennenden und praktizierten Homosexualität.

Die soziale Kategorie Alter überformt die biologische, und wie alle sozialen Kategorien macht sie geschlechts- und klassenspezifische Unterschiede. Die Art und Weise, wie das Alterwerden erlebt, wie Lesben sie gestalten können, wird wesentlich von gesellschaftlichen Bedingungen bestimmt, die auch ihr bisheriges Leben beeinflussten.

Zur Bedeutung von Altersbildern

Unter Altersbilder versteht die Sachverständigen-Kommission des 3. Berichts zur Lage der älteren Generation (2000) allgemeine Vorstellungen über das Alter, über die im Alternsprozess zu erwartenden Veränderungen und über die für ältere Menschen mutmaßlich charakteristischen Eigenschaften. Altersbilder umfassen danach Ansichten von Gesundheit und Krankheit im Alter, Vorstellungen über Autonomie und Abhängigkeiten, Kompetenzen und Defizite, über Freiräume, Gelassenheit und Weisheit, aber auch Befürchtungen über materielle Einbußen und Gedanken über Sterben und Tod. Nicht zuletzt würden sie auch – normative – Vorstellungen über Rechte und Pflichten alter Menschen enthalten. Altersbilder umfassen demnach nicht allein beschreibende und erklärende Aussagen über das Alter(n), sondern enthalten auch wertende und normative Elemente.

Untersuchungen zeigten, dass die mit sinnvollen Aktivitäten verbrachte Zeit 3-4mal so wichtig ist für die Lebenszufriedenheit wie der Gesundheitszustand.

Altersbilder sind lt. der Sachverständigen-Kommission soziale Konstruktionen, die sich im Wechselspiel zwischen Individuum und Gesellschaft herausbilden und entwickeln. Einerseits tragen ältere Menschen selbst durch ihr Handeln zur Entstehung und Veränderung von Altersbildern bei. Andererseits beeinflussen Altersbilder auf individueller und gesellschaftlicher Ebene die Wahrnehmung und Beurteilung von älteren Menschen, die Gestaltung von sozialen Interaktionen mit ihnen sowie die Erwartungen an den eigenen Alternsprozess und die persönliche Lebenssituation im Alter.

Eine wichtige Frage ist also, mit welchen Altersbildern sich ältere Frauen/Männer selbst identifizieren. Die Antwort auf diese Frage entscheidet mit darüber, inwieweit diese ihre/seine Ressourcen für ein unabhängiges Leben nutzt, inwieweit sie/er sich darum bemüht, durch eigene Aktivität zur möglichst langen Aufrechterhaltung der Ressourcen beizutragen, und inwieweit sie/er das Engagement für andere Menschen – d.h. die Bereitstellung von Ressourcen – als eine persönlich bedeutsame Aufgabe wertet.

Entwürfe von Altsein, die sich nicht mit der zugewiesenen, defizitären Rolle decken, finden sich in den Aussagen der porträtierten Lesben in der Ausstellung „junge Energie und späte Hitze – Lesben und Alter“. Alter wird als Aufgabe gesehen und schließt Abenteuer nicht aus. Aber es wird auch das benannt, was schmerzvoll ist, Angst macht, Trauer und Verlust mit sich bringt.

(Ingrid Gans)